Geschlechterverhältnisse – Normalisierung und Transformation
2012 – 2016
In seiner 4. Laufzeit des Graduiertenkollegs Gender Studies, von 2012 bis 2016, lag der Fokus auf Prozessen der Normalisierung als Bedingung und Grenze gesellschaftlicher Existenzweisen und zwar aus kultur-, sozial- und naturwissenschaftlicher Perspektive. Diese Prozesse konstituieren spezifische Subjektivitäten, Denk-, Gefühls- und Körper(praxen), und sie implizieren bestimmte Herrschafts-, Differenzierungs- und Disziplinierungsmechanismen. So bestimmen sie das historisch Denk- und Lebbare, verweisen jedoch gleichzeitig – nicht zuletzt in ihren kontingenten und stets umkämpften Grenzziehungen – darauf, dass und wie es anders sein könnte: auf alternative Modi individueller Existenz und gesellschaftlicher Ordnung.
Vor diesem Hintergrund wurden folgende drei Themenbereiche als wichtige Analysefelder für kritische Analysen dieser Prozesse aus einer mehrdimensionalen Perspektive in ihrer historischen Genealogie und ihrer aktuellen Reproduktion und Transformation erachtet.
Hegemoniebildung Europas/ des Okzidents
Hier liegt der Schwerpunkt auf Untersuchungen der verschiedenen Aspekte der historischen und aktuellen Hegemoniebildung Europas/ des Okzidents in ihrer Verwobenheit mit
der (Re-)Produktion der Geschlechterverhältnisse im globalen Kontext. Dabei sollen sowohl strukturelle, individuelle als auch symbolische Dimensionen Berücksichtigung finden. Bislang konzentriert sich die theoretische und empirische Auseinandersetzung meist entweder eher auf die Selbstaffirmierung Europas oder auf die des Okzidents und die jeweiligen Prozesse des Othering. Demgegenüber sollen im Kolleg vermehrt die Verschränkung und Wechselwirkung dieser Perspektiven in den Blick genommen werden.
Geschlecht, Sexualität und Sexualisierung
Gegenwärtig erweisen sich Sexualität und die Sexualisierung der Gesellschaft als exemplarische Felder der paradoxen Gleichzeitigkeit von Wandel und Persistenz in den Geschlechterverhältnissen. So lassen sich einerseits eine Pluralisierung sowie andererseits eine starke (Re-)Traditionalisierung geschlechtlicher und sexueller Existenzweisen beobachten. Wünschenswert sind diesbezüglich Untersuchungenvon historischen und aktuellen Inszenierungen, Imaginationen und Praxen von Sexualität als gesellschaftlichem und kulturellem Phänomen. Von besonderem Interesse sind auch Arbeiten, die an neue naturwissenschaftliche Konzepte (z.B. Epigenetik) anknüpfen, die sich mit den komplexen Wechselwirkungen von sozialen Kontexten und physiologischen Prozessen befassen.
Feminismus, Normativität und Kritik
Hier geht es um aktuelle Herausforderungen für feministische Theorie und Kritik: Wie können die globalen ökologischen, ökonomischen, sozialen und politischen Krisen oder die Ambivalenz von Normalisierungsbestrebungen (wie bspw. neoliberale Vereinnahmungsstrategien) angemessen erfasst werden? Sind bisherige feministische Konzepte ausreichend oder sind neue Methoden und Begrifflichkeiten notwendig? Müssen neue Bündnispolitiken gefunden werden? Zu klären ist zudem, inwiefern Konzepte der Mehrdimensionalität, der Intersektionalität, der Interdependenz oder der Hegemonieselbstkritik hilfreiche analytische Instrumente bei diesem Unterfangen sein können. Nicht zuletzt stellt sich aktuell die Frage, wie und in welcher Form sich im Rahmen dekonstruktivistischer Ansätze Normativität als Kriterium von Kritik denken lässt.
Mittels unterschiedlicher methodischer und theoretischer Zugänge (z.B. postkoloniale und queere Theorien), die kultur-, sozial-wissenschaftliche, und naturwissenschaftliche Ansätze der Geschlechterforschung einbeziehen, wurde der gemeinsame Forschungsfokus bearbeitet. Dieser inter- bzw. transdisziplinäre Zuschnitt ist ein wesentliches Merkmal des Graduiertenkollegs mit dem Ziel die unterschiedlichen Projekte und deren Ergebnisse immer wieder aufeinander zu beziehen, um gemeinsame Einsichten in historische wie aktuelle Entwicklungen zu gewinnen.
Veranstaltungen
Neben Workshops zu Methoden und Medien- und Schreibtraining führte das Basler Kolleg folgende Workshops durch.
Was ist Kritik? – Revisited - Normen, Normativität, Normalisierung | 23-24. Mai 2013 |
Normalisierung | 7. / 8. Dezember 2013 |
Affect Studies | 17. Februar 2014 |
Körper | 16./17. Mai 2014 |
Sexuality, masculinity and femininity | 23. Mai 2014 |
Konzepte der Intersektionalität | 19. Mai 2015 |
Empirische und mediale Körper in der (Geschlechter-)Forschung | 20./21. März 2015
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Menschenrechte – Universalismus, Kulturrelativismus und neoliberale Instrumentalisierung, Teil I – III | 30. Oktober, 13. und 27. November 2015 |
Geschlechternormen – Norm, Normativität, Normalisierung | 26./27. Februar 2016 |
The Trouble with Passion and Politics After the Affective Turn | 15. April 2016 |
Politik der Geschlechterverhältnisse | 9./10. Mai 2016 |
Postkoloniale Theorie, Erinnerung und Affekt | 10./11. November 2016 |
Postcoloniality, Migration and Memory | 08./09. Dezember 2016 |
Teilnehmende
Assoziierte Doktorierende
Dätwyler, Maria (Philosophie) (2015—2016) | Im Auftrag der Wahrheit: Positionierungs- und Erneuerungsformen der Philosophie im 20. Jahrhundert Erstbetreuung: Dieter Thomä (Universität St. Gallen) // Zweitbetreuung: Patricia Purtschert (Universität Bern) |
Mühlebach, Deborah Raika Philosophie (2015—2016) | The Philosophy of Derogatory Language Use: Normative Meaning and Immanent Criticism Erstbetreuung: Markus Wild // Zweitbetreuung: Sally Haslanger and Jennifer Saul |
Reggi, Nina-Maria Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie (2012—2016) | Beruflicher (Wieder-)Einstieg – Eine geschlechtertheoretische Betrachtung gegenwärtiger Beratungspraxen an der Schnittstelle zwischen Familie und Erwerbsarbeit" (Arbeitstitel) Erstbetreuung: Irene Götz // Zweitbetreuung: Andrea Maihofer |
Schwind, Bettina PublicHealth/Epidemologie (2013—2015) | Doing gynaecology today - A qualitative study from the area of Basel, Switzerland Erstbetreuung: Elisabeth Zemp Stutz und Beate Wimmer-Puchinger // Zweitbetreuung: Andrea Maihofer |
Staudacher, Sandra Ethnologie (2014—2016) | Cosmopolitan Aging in Zanzibar: Health, Care and Transnational Links to Oman. abgeschlossen Erstbetreuung: Birgit Obrist // Zweitbetreuung: Andrea Maihofer |
Täschler, Susann Erziehungswissenschaften (2014—2016) | Vaterfiguren - Die Entwicklung der dokumentarischen Filmanalyse für die erziehungswissenschaftliche Untersuchung generativer Verhältnisse im Schweizer Spielfilm von 2000–2014 Erstbetreuung: Hans-Ulrich Grunder // Zweitbetreuung: Andrea Maihofer |
Umrath, Barbara Soziologie (2013—2016) | Geschlecht, Familie, Sexualität - Die Entwicklung der Kritischen Theorie aus der Perspektive sozialwissenschaftlicher Geschlechterforschung Erstbetreuung: Hauke Brunkhorst // Zweitbetreuung: Andrea Maihofer und Franz Schultheis |
Wasser, Nicolas Soziologie (2013—2016) | The Promise of Diversity - How Brazilian Brand Capitalism Affects Precarious Identities and Work Erstbetreuung: Bila Sorj // Zweitbetreuung: Andrea Maihofer |
Visiting Fellow
Bartsch, Cornelia Musikwissenschaft Teilnahme 2015—2017 | Musik und Gender |
Leitung
> Andrea Maihofer
Koordination GradKo Basel
> Andrea Zimmermann
Koordination GradKo Schweiz
> Katrin Meyer (2005-2017)
Träger:innen
> Caroline Arni
Geschichte
> Franziska Gygax
Anglistik
> Ute Holl
Medienwissenschaften
> Christian Imdorf
Soziologie (bis 2015)
> Katrin Kraus
Erziehungswissenschaften
> Katrin Meyer
Philosophie
> Brigit Obrist
Ethnologie
> Claudia Opitz
Geschichte
> Brigitte Röder
Ur- und frühgeschichtliche Archäologie
> Elisabeth Zemp
Sozial- und Präventivmedizin