Repräsentation, Materialität und Geschlecht:
Gegenwärtige und historische Neuformierungen der Geschlechterverhältnisse
Februar 2009 – Dezember 2011
Welche Sozialisationsmechanismen wirken in der Adoleszenz bezüglich der Ausbildung von Geschlecht und Sexualität? Wie gehen gleichgeschlechtlich Eltern oder Alleinerziehende mit der hegemonialen Norm von Elternschaft um? Welchen Stellenwert nimmt Intersexualität in der zeitgenössischen amerikanischen Literatur ein und auf welche Weise wird sie dargestellt? Und: Wenn „Deutsch“ als eine „weisse“ Sprache angesehen wird, welche Handlungsmächtigkeit haben Women of Color, sich darin zu artikulieren? Dies sind nur einige der Forschungsfragen, welche die Nachwuchswissenschaftler:innen im Rahmen ihrer Dissertations- und Habilitationsprojekte in der 3. Laufzeit des Basler Graduiertenkollegs bearbeitet haben.
Denn die gegenwärtige Neuformierung der Geschlechterverhältnisse erweist sich als vielfältig, facettenreich und komplex. Ausserdem sind die Geschlechterverhältnisse von einer paradoxen Gleichzeitigkeit von Wandel und Persistenz gekennzeichnet, deren eingehende Analyse derzeit weitestgehend noch aussteht. Historisch betrachtet finden sich allerdings immer wieder solche Phasen grundlegender Neuformierungen. Dabei gilt es auch, Bezüge zu globalen (europäischen wie ausser-europäischen) Transformationsprozessen herzustellen und deren interkulturelle Dimension zu berücksichtigen. Die im Graduiertenkolleg „Repräsentation, Materialität und Geschlecht“ versammelten Forschungsprojekte greifen diese Transformationsprozesse auf und beleuchten folgende Themenbereiche:
- die Veränderungen des Verhältnisses von „Natur“ und „Kultur“ z.B. in Bezug auf heutige Versuche eines nicht-essentialistischen Verständnisses von Materialität und Körperlichkeit (u.a. im Anschluss an die Kritische Theorie) und sich ändernde Wechselwirkungen zwischen naturwissenschaftlichen Theorien und Gesellschaft
- sich wandelnde und aufeinander einwirkende Repräsentationen/sweisen von Geschlecht wie beispielsweise Körperdiskurse in Literatur und Filmen
- gesellschaftliche Transformationsprozesse der Geschlechterverhältnisse unter anderem in nicht-hegemonialen Lebensformen, im Hochschulwesen und in den Medien
Veranstaltungen
Die Teilnehmenden dieser dritten Laufzeit rundeten ihre wissenschaftlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in zahlreichen Veranstaltungen ab, darunter zwei Skills Workshops zu "Kreativem Schreiben" und zur "Gestaltung der beruflichen Zukunft nach dem Graduiertenkolleg" (in Zusammenarbeit mit den Kollegien Zürich und Bern/Fribourg).
Der theoretische Schwerpunkt lag bei den Veranstaltungen auf Debatten um „Normalisierung und Othering“ und wurde in einer sechsteiligen Veranstaltungsreihe behandelt. Organisiert von Monika Götsch, Yv Nay und Andrea Zimmermann wurden innerhalb der dreisemestrigen Vortragsreihe folgende Aspekte thematisiert. Wer ist in der Lage für sich zu sprechen, Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen, Rechte einzufordern und einzugehen? Wer wird als Person, als handlungsfähiges Subjekt anerkannt? Welche Vorstellung des Menschlichen liegt der Forderung nach Gleichberechtigung im Rahmen nationaler und internationaler Menschenrechtspolitik zugrunde? Ausgehend von der Frage, wer welche Möglichkeiten besitzt, in der Gesellschaft als anerkannte Person zu agieren, nimmt die Vortragsreihe verschiedene Dimensionen in den Blick hinsichtlich der Normen, die unser Verständnis vom Menschlichen herstellen und begrenzen. Geschlecht und Sexualität sind in diesem Zusammenhang zentrale Kategorien, durch deren Analyse Aus- und Einschlussmechanismen offen gelegt werden.
Die Veranstaltungsreihe umfasste drei Workshops zu den Themen „Affects – queer public feelings“, „Citizenship – Repräsentation – Demokratie“ und „Critical Whiteness“ wie einen Auftakt- und Abschlussvortrag. Weitere Workshops und Kernveranstaltungen sowie eine dreitägige Retraite in Passugg/Chur rundeten das Prorgamm des Graduiertenkollegs III ab.
Repräsentationen von Materialität & Körperlichkeit | 8./9. Mai 2009 |
Persistenz und Wandel in den Geschlechterverhältnissen | 7./8. Mai 2010 |
körper_tänze | 19./20. November 2010 |
Normalisierung und Othering – Debatten um Gleichheit und Differenz 22. November 2010 9.-11. Dezember 2010 7.-9. April 2011 13./14. Mai 2011 10.-12. November 2011 10. November 2011 | November 2010 – November 2011 |
Reframing Gender, Reframing Critique | 15.-17. September 2011 |
Teilnehmende
Am dritten Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs beteiligen sich – zusammen mit zwölf ProfessorInnen der Trägerschaft – neun Doktorierende und vier Habilitierende zum Thema „Repräsentation, Materialität und Geschlecht: gegenwärtige und historische Neuformierungen der Geschlechterverhältnisse“. Die Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit Veränderungen der Geschlechterverhältnisse in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, beispielsweise in Familie, Sexualität, Hochschule und Literatur.
Baier, Angelika | It’s a hormonal thing you’ve got. Körperdiskurse in Literatur und Filmen über Hermaphroditimus/ Intersexualität. |
Binswanger, Christa | Sexuelle Scripts als Palimpsest: Sexualität in zeitgenössischen theoretischen Debatten und literarischen Erzähltexten |
Böhme, Michaela | Kritischer Materialismus in feministischer Perspektive. Naturbegriffe in poststrukturalistischen und kritisch-theoretischen Subjekttheorien im Streit |
Haag, Ursula Caci | Locating Gender in Space. Emily Dickinson's Conception of Gender (Arbeitstitel) |
Götsch, Monika | Sozialisation heteronormativen Wissens. Wie Jugendliche Sexualität und Geschlecht erzählen. |
Hänsch, Anja | Göttinnentode - eine Diskursanalyse der Verdrängungen des weiblichen Göttlichen |
Hostettler, Karin | "Das Anerben durch die Wirkung der Einbildungskraft schwangerer Frauen". Kant über Geschlecht, "Rasse" und Natur. Erstbetreuung: Andrea Maihofer // Zweitbetreuung: Katrin Meyer |
Hnilica, Irmtraud | Im Zauberkreis der großen Waage. Die Romantisierung des bürgerlichen Kaufmanns in Gustav Freytags 'Soll und Haben' |
Hutzler, Michael | Geschlechterkonstruktionen in nicht-heterosexuellen und genderkritischen Diskursen und Praktiken (Arbeitstitel) |
Klinger, Sabine | (De-)Thematisierung von Geschlecht. Rekonstruktionen bei Studierenden der Bildungs – und Erziehungswissenschaften Erstbetreuung: Susanne Maurer (Philipps-Universität Marburg) // Zweitbetreuung: Bettina Dausien (Universität Wien) |
Nay, Yv E. | Nicht-hegemoniale Lebens- und Beziehungsformen und assistierte Reproduktionstechnologien. Konzepte von Verwandtschaft, Geschlecht und Körper Erstbetreuung: Andrea Maihofer // Zweitbetreuung: Sabine Hark (TU Berlin) |
Mariam, Dr. Popal | Translocal Spaces - Heterotopias. Postkoloniale Neucodierungen von Korporealität und Recht in den Werken von Toni Morrison und Gayatri Chakravorty Spivak (Arbeitstitel) |
Schutzbach, Franziska | Politiken der Generativität – Reproduktive Gesundheit, Bevölkerung und Geschlecht. Das Beispiel der Weltgesundheitsorganisation |
Gastwissenschaftler:innen
Cremer, Annette | Mon Plaisir – monarchische Machtdarstellung in Miniatur. Die Puppenstadt der Herzogin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt (1666-1751) im Spannungsfeld zwischen weiblicher Selbstdarstellung und Kunstkammerstück (Arbeitstitel) |
Vögele, Sophie | We are urban, modern, and globally informed. Die indische Mittelklasse als Sprachrohr einer westlichen Hegemonie und dessen Auswirkung auf den indischen Geschlechterdiskurs (Arbeitstitel) |
Zimmermann, Andrea | Kritik der Geschlechterordnung - Selbst-, Liebes- und Familienverhältnisse im Theater der Gegenwart. |
Leitung
> Andrea Maihofer
Koordination
> Jana Häberlein
Träger:innen
> Franziska Gygax
Amerikanistik
> Ina Habermann
Anglistik
> Ueli Mäder
Soziologie
> Andrea Maihofer
Gender Studies, Philosophie, Soziologie
> Ingeborg Schwenzer
Rechtswissenschaften
> Regina Wecker
Frauen- und Geschlechtergeschichte
> Elisabeth Zemp
Sozial- und Präventivmedizin
> Henriette Harich-Schwarzbauer
Latinistik
> Cordula Nitsch
Neuroanatomie
> Claudia Opitz
Geschichte
> Brigitte Röder
Ur- und frühgeschichtliche Archäologie