Wozu noch heiraten?

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Beobachter-Artikel zum Stellenwert der Ehe mit Fleur Weibel

Link zum Artikel

Am 29. September 2022 erschien im Ressort Familie der Zeitschrift Beobachter ein Artikel, der nach dem gegenwärtig noch bestehenden Stellenwert der Ehe fragt. Neben Fleur Weibel vom Zentrum Gender Studies geben vier weitere Expert:innen zu dieser Thematik Auskunft. Der Artikel befindet sich zwar hinter einer Bezahlschranke oder in der Printausgabe der zwangzigsten Ausgabe des Beobachters. Die auf Seite 19 publizierten Interviewabschnitte mit Fleur Weibel sind jedoch nachfolgend frei zugänglich. 

Oft heisst es: Die Ehe als staatliche Institution braucht es gar nicht mehr. Wie stehen Sie dazu? 
Da muss man differenzieren. Ob es die Ehe als Institution – in Abgrenzung zu anderen Lebensformen – braucht, lässt sich tatsächlich diskutieren. Was es aber weiterhin braucht, sind die Mechanismen, die die eheliche Lebensgemeinschaft ausmachen. Also die Schutzfunktion, wenn es etwa darum geht, einen Ausgleich zu schaffen bei Paaren, bei denen die bezahlte und die unbezahlte Arbeit ungleich verteilt ist. Oder die gegenseitige Absicherung bei Krankheit oder Tod. Die Ehe funktioniert nach wie vor als Verschränkung von Liebe und Recht. 

Mit Vorteilen für die Romantik.
Zumindest im öffentlichen Diskurs hat sich das Gewicht dorthin verschoben. Tatsache ist aber: Würde nur noch aus romantischen Gründen geheiratet, könnte man auf die Eheschliessung verzichten und einfach eine Hochzeit feiern. Aber die meisten Paare gehen ja trotzdem zuerst aufs Zivilstandsamt und vollziehen diesen Statuswechsel auch amtlich. 

Fazit: Die Menschen müssen eigentlich nicht mehr heiraten, tun es aber doch. Weshalb? 
Wesentlich dabei ist, dass mit der formellen Eheschliessung eine sehr einfache Regelung für die spätere Familiengründung getroffen werden kann. Meine Untersuchungen zeigen, dass dieser Aspekt bei den meisten Paaren im Fokus steht. Dazu kommt ein blinder Fleck in der Soziologie: Sie fokussiert in ihren Studien oft auf eine urbane Mittelschicht. So geht vergessen, dass die Ehe für viele Menschen nach wie vor ganz selbstverständlich zu einem erfolgreichen Leben dazugehört. Es ist gar keine Frage, nicht zu heiraten. Solche traditionellen Wertorientierungen werden in dieser Debatte zum Teil ausser Acht gelassen.

Zur Tradition gehört auch, eine Hochzeit gross zu feiern. Wie wichtig ist das?
Die symbolische Komponente ist sehr wichtig. Eine Heirat ist auch heute noch stark mit gesellschaftlicher Anerkennung verbunden. Die Paare suchen die emotionale Anteilnahme von aussen und wollen mit der Ehe ein Statement setzen: Schaut her, wir beide wollen unser Leben miteinander teilen.

Bild: Yves Roth