Ban Marriage!

Ambivalenzen der Normalisierung aus queer-feministischer Perspektive


Sushila Mesquita


Gegenstand der Arbeit ist die kritische Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Prozessen der Normalisierung von Lesben und Schwulen aus queer-feministischer Perspektive. Einerseits eröffnet die Normalisierung den Zugang zu bislang verwehrten Rechten, zu nicht-stigmatisierender Sichtbarkeit, zur Erweiterung gesellschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten, zu mehr Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum etc. Andererseits gehen Normalisierungsprozesse mit spezifischen Normierungen einher, da der Einschluss in gesellschaftliche Normen bestimmte Anpassungsleistungen voraussetzt. In diesem Sinne ist die Normalisierung stets begrenzt: normalisierbar ist, wer Anpassungsleistungen erbringen kann und/oder will, wer sich also in bestimmter Hinsicht als passförmig gegenüber vorgegebenen Normen erweist.

Die mit Normalisierungsprozessen einhergehenden Ambivalenzen werden an Beispielen der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen herausgearbeitet, wobei mit der Öffnung der Ehe auf der einen und der eingetragenen Partner_innenschaft auf der anderen Seite zwei unterschiedliche Anerkennungsmodelle untersucht werden. Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf der Analyse der Mechanismen, der Bedingungen und der Effekte der Normalisierung.

Anhand eines Queer Readings von Rechtsdiskursen rund um das Schweizer Partnerschaftsgesetz werden heteronormative Grundannahmen freigelegt und die Funktionsweisen sowie die diskursive Logik einer bestimmten Form der Normalisierung analysiert, die sich als „hierarchisch differenzierte Integration“ erweist. Obwohl es sich bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Gegensatz dazu um eine tatsächliche Gleichstellung handelt, liegt ihr dieselbe innere Logik und damit dieselbe Problematik hinsichtlich ihrer Bedingungen, Grenzen und Effekte zugrunde. Unter Berücksichtigung der Dimensionen der Anerkennung und der Verteilungsgerechtigkeit wird in diesem Zusammenhang der Frage nachgegangen, wer im Zuge einer Öffnung der Ehe tatsächlich mit wem gleichgestellt wird.

Mit einer Darstellung von Grundzügen queer-feministischer Familienformenpolitiken wird schließlich der Versuch unternommen, die gewonnen Einblicke in die Ambivalenzen der Normalisierung für einen Ansatz einer radikalen Familienrechtsreform produktiv zu machen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie Formen der rechtlichen Anerkennung aussehen könnten, die der gelebten Vielfalt an Lebensentwürfen und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden vermögen, ohne dabei hierarchisierend und normierend zu agieren.

Dieses Buch basiert auf einer Promotion an der Universität Wien (2011) im Fach Philosophie wurde von Prof. Dr. Alice Pechriggl (Universität Wien) sowie Prof. Dr. em. Andrea Maihofer und Prof. Dr. em. Regina Wecker begutachtet.