Der transgressive Charakter der Pornographie

Philosophische und feministische Positionen


Nathan Schocher


Unsere Gesellschaft hat ein ambivalentes Verhältnis zu Pornographie. Auf der einen Seite finden viele Menschen Pornographie problematisch. Ihre zum Teil gewaltförmigen, rassistischen und frauenfeindlichen Inhalte stossen auf Kritik. Auf der anderen Seite wird Pornographie täglich von einer grossen Anzahl Menschen genutzt. Angehörige sexueller Minderheiten empfinden sie zum Teil gar als ermutigend und bestärkend. Wie kommt es zu diesem ambivalenten Verhältnis der Gesellschaft zu Pornographie? Gibt es in der gesellschaftlichen Konstruktion von Sexualität Gründe für diese Ambivalenz?

Mein Dissertationsprojekt möchte diesen Fragen in der Analyse zweier aktueller gesellschaftlicher Phänomene nachgehen: Das eine Phänomen ist die sogenannte Pornographisierung der Gesellschaft. Das andere Phänomen ist das Aufkommen von zur Mainstreampornographie alternativen Pornographie-Konzepten wie etwa der Post-Pornographie.

Mit Pornographisierung ist ein Phänomen gemeint, das zwei gesellschaftliche Tendenzen in Bezug auf Pornographie einschliesst. Einerseits beschreibt Pornographisierung den durch die technologische Entwicklungen der letzten Jahre erleichterten Zugang zu Pornographie. Andererseits beschreibt der Begriff auch den Einzug pornographischer Bilder und Standards in Pop- und Alltagskultur. Wie kommt dieser Ausbruch der Pornographie aus den ihr durch unsere Gesellschaft zugeteilten Grenzen zustande? Parallel zur Pornographisierung wird eine Kommodifizierung in immer mehr Lebensbereichen festgestellt. In welchem Verhältnis stehen hier Konsumgesellschaft und Pornographie zueinander?

Alternative Pornographie-Konzepte wie die Post-Pornographie entspringen Bewegungen sexueller Minderheiten, die versuchen, der warenförmigen Mainstream-Pornographie eine eigene Pornographie entgegenzusetzen, die frei von Sexismus und Normierungen ist. Hier ist zu fragen, kann so ein Versuch gelingen? Worin besteht das subversive Potenzial, das alternative Pornographie-Konzepte mobilisieren wollen?

Meiner Meinung nach haben sowohl das Phänomen der Pornographisierung sowie die alternativen Pornographie-Konzepte ihre Wurzeln in einem transgressiven Charakter der Pornographie. Dieser besteht im Kern darin, dass Pornographie sich immer an oder jenseits der Grenzen eines gesellschaftlich akzeptierten Diskurses über Sexualität ansiedelt. Der Aspekt der Transgression spielt auch in älteren Debatten zu Pornographie wie den innerfeministischen Sex Wars oder philosophischen Debatten um verletzende Äusserungen und Meinungsfreiheit eine wichtige Rolle. Eine kritische Reevaluation soll Zusammenhänge und Unterschiede zu den aktuellen Debatten um Pornographisierung und alternative Pornographie-Konzepte festhalten.

Ziel des Projekts ist eine differenzierte Einschätzung des transgressiven Charakters der Pornographie.

Dieses Buch basiert auf einer Promotion im Fach Philosophie an der Universität Zürich (2021) und wurde von Prof. em. Dr. Georg Kohler. sowie Prof. Dr. Andrea Maihofer und Prof. Dr. Regina Wecker begutachtet.